Seit nunmehr fünf Jahrzehnten begeistert das Schifffahrtsmuseum in Rostock seine Gäste mit einzigartigen Attraktionen über die Geschichte des Schiffbaus und der Seefahrt in der Region. Mit der ab November für ein Jahr geöffnete Sonderausstellung geht das Museum ein Stück weiter und wirft einen Blick in die Zukunft. Dazu wurde mit Time’s Up eine Künstler*innengruppe eingeladen, die sich insbesondere mit der Entwicklung von Zukunftsszenarien für den maritimen Raum beschäftigt. Im engen Austausch und unter Einbeziehung aktueller Erkenntnisse der Forschung, lädt die Gruppe das Publikum ein, das begehbare Szenario einer möglichen Zukunft im Bauch des Ausstellungsschiffs MS Dresden zu erleben.
Dazu begeben wir uns in das Jahr 2047 und landen am Abend des 20. September an einer Haltestelle am Rand einer am Meer gelegenen, aber nicht weiter lokalisierten, kleinen Stadt namens Turnton. Dort empfängt uns ein Infopoint mit Stadtplan, Wegweisern und aktuellen Wetterdaten, die mit für diese Tageszeit auffällig hoher Temperatur und niedriger Luftfeuchte überraschen.
Unser Blick wird auf die einzelnen Einrichtungen am Platz geleitet, etwa auf die Einsicht gewährenden, als Kulissen dargestellten Ocean Recovery Farm und dem Microplastic Reduction Lab, beides Organisationen, die sich der Verbesserung der Wasserqualität des Meeres widmen. Eine Informationstafel verweist auf die vor uns liegenden Seegrasfelder. Diese geschützten Zonen tragen ebenfalls dazu bei, den durch Temperaturanstieg und Schadstoffeinträge verursachten Belastungen des Meeres - wie Algenblüten, Versauerung sowie den daraus entstehenden sauerstoffarmen oder sogar sauerstofffreien Zonen - entgegenzuwirken.
Im Mittelpunkt steht allerdings die Medusa Bar, eine Hafenkneipe, die als soziales Zentrum Turntons sowohl auf die lebendige Kunst- und Kulturlandschaft der Stadt verweist, als uns auch - über sieben Hörstationen - Einblick in den Alltag der Menschen erlaubt. So erfahren wir beispielsweise vom rätselhaften Verschwinden der Crew des Forschungsschiffs Hydropia, das erst heute morgen in den Hafen von Turnton geschleppt wurde. Die Hydropia selbst können wir ebenfalls besuchen, ein etwas versteckter Eingang führt in den Bauch des Schiffes, wo wir über die Beweggründe und den Verlauf der Expedition der letzten Monate informiert werden.
Neben den begehbaren und haptisch begreifbaren Elementen dieser Ausstellung, bilden das eigens in Szene gesetzte Hörspiel, und die vor Ort aufliegende aktuelle Ausgabe der Wochenzeitung Turnton Gazette, mit ihren 32 Seiten im Berliner Format, die Möglichkeit, tiefer in die Welt von Turnton im Jahr 2047 einzutauchen.
Die wesentlichen Aspekte, die in dieser erfahrbaren Zukunft verhandelt werden, sind einerseits eine transformierte Wirtschaft, die das Wohlergehen der Menschen und des Planeten in den Vordergrund rückt und damit aktuell vorherrschende Macht- und Vermögenskonzentrationen konterkariert und andererseits die Potentiale mariner Regeneration, die geeignet sind, beschädigte Meeres-Ökosysteme zu reparieren. Immerhin befinden uns in einer Zeit, in der die Langzeitwirkungen der Umweltverschmutzung und damit einhergehende Erschütterung des Naturhaushaltes den globalen Alltag dominieren. Die Folgen der bis weit in die späten 2020er Jahre hinein politisch nur zögerlich bekämpften globale Erwärmung wütet mit weltweiten Wetterextremen und Umweltkatastrophen. Gleichzeitig begeben wir uns in eine Gesellschaft, die es geschafft hat, die Dynamik der ungleichen Verteilung von Vermögen und Einkommen zu durchbrechen und es sich zum Ziel gesetzt hat, ein Gutes Leben für Alle zu bereiten.
Dabei ist es für Time’s Up wichtig zu betonen, dass es sich bei Turnton 2047 um keine Prognose, sondern um den Vorschlag einer möglichen Zukunft handelt, einer von vielen möglichen Zukünften, die auch keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Der Mut zur Lücke ist dabei ein wesentliches Credo, genauso wie die offene Einladung an das Publikum sich ans hoffnungsvolle und visionäre denken zu wagen. Es gilt bereits bestehende Ideen und Konzepte aufzugreifen und mit einer gehörigen Portion an Fiktionalisierung anzureichern.Turnton erlaubt es sich, breitmachenden Ängsten zu widerstehen und bietet Anstöße für eine Welt an, in der wir leben wollen.
Time’s Up freut sich besonders, dass für dieses Projekt als wissenschaftliche Partner das IOW - Leibniz Institut für Ostseeforschung Warnemünde, das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung und das Johann Heinrich von Thünen-Institut gewonnen werden konnten.
Turnton 2047 - Utopie einer Küstenstadt?
Sonderausstellung auf der MS Dresden
Schifffahrtsmuseum Rostock
06.11.2025 – 31.10.2026
https://schifffahrtsmuseum-rostock.de/ausstellungen/sonderausstellung-turnton-2047/
Bilder: https://www.flickr.com/photos/times_up/albums/72177720322082059/
Das Traditionsschiff MS DRESDEN liegt als Schifffahrtsmuseum Rostock am Ufer der Warnow ist direkt am IGA Park angedockt. Der mit 10.000 Tonnen fast vollständig erhaltende originale Hochseefrachter bietet multimediale Einblicke in die regionale Schiffbau- und Seefahrtsgeschichte. Ein weiteres Highlight ist die Historische Bootswerft, wo traditionelle Handwerkstechniken den Holzschiffbau erlebbar machen. Der IGA Park ist die grüne Erlebnisoase im Nordwesten der Hanse- und Universitätsstadt Rostock und bietet mit Konzertwiese, Spielplätzen und Wassersportanlage attraktive Freizeitangebote für die ganze Familie. Naturliebhaber entdecken eine beeindruckende Pflanzen- und Tierwelt, die auch Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Umweltbildungsangebote des Parks nähergebracht wird.
Öffnungszeiten Schifffahrtsmuseum: jeweils Dienstag bis Sonntag im März: 10:00 - 16:00 Uhr I April bis Oktober: 10:00 - 18:00 Uhr
Öffnungszeiten IGA Park: täglich von November bis März: 8:00-17:00 Uhr I April bis Oktober: 8:00-22:00 Uhr
Über Time’s Up:
Time’s Up ist ein Künstler*innenkollektiv, das 1996 in Linz, AT gegründet wurde. Als Labor zur Konstruktion experimenteller Situationen erschafft Time’s Up erforsch- und begehbare Erzählungen, die das Publikum dazu einladen gesellschaftspolitische Themen in möglichen Zukünften zu erkunden.
Time’s Up wird unterstützt durch Bundesministerium Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport BMKOES, Linz Kultur, Kulturland OÖ, LinzAG und dem Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) im Rahmen des Projekts »How Dare You: Arts-based strategies for maintaining useful hope in the climate and other emergencies« zusammen mit Design Investigations an der Universität für angewandte Kunst Wien [10.55776/ART6101324].
Rückfragehinweis:
Bert Estl
E-Mail: presse@timesup.org
https://timesup.org/