Die Ausstellung “Robotronika – Hypermatic: automatic” im Wiener Museumsquartier (19.-23. Juni 1998) über die “neuesten robotischen Produkte und Anwendungsbereiche in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst” hatte drei Schwerpunkte: Zum einen präsentierten österreichische und internationale Fachfirmen automatisierte Fertigungstechniken, die “größtenteils aus ökonomischen Gründen” (Pressetext) konstruiert wurden. Zum anderen stellten die Forschungsabteilungen verschiedener Universitätsinstitute Entwicklungsprojekte vor, die mitunter auch einen “spielerischen” Charakter haben: das “Institut für Handhabungsgeräte und Robotertechnik” der Technischen Universität Wien hatte z.B. Fußballroboter geschaffen, die nach den Walt Disney-Figuren “Tick, Trick und Track” benannt sind. In diese Kategorie gehört auch der Roboter-Hund “Robodog” von “Sony”, dem ein “durchaus hundeähnlich zu nennendes Verhalten einprogrammiert wurde”.
Den dritten Schwerpunkt bildete – neben einem theoretischen Symposion – ein Künstlerprogramm, bei dem das “Institut für Neue Kulturtechnologien tO/PublicNetbase Media-Space” federführend war. Direktor Konrad Becker und Co-Kuratorin Marie Ringler hatten eine Konzeption entworfen, die keineswegs als lediglich unterhaltsame Ergänzung der Leistungsschau aus Forschung und Industrie genommen werden wollte. Der Charakter einer solchen Veranstaltung, die Industriemesse, Wissenschaftsforum und Kulturereignis zugleich ist, erklärt sich hier in spezifischer Weise aus der städtebaulichen Entwicklung des Wiener Museumsquartiers in den neunziger Jahren: der Ausstellungsort (Halle H) gehört zum alten Messegelände. Daß gerade an dieser Stelle Avantgardistisches und Interdisziplinäres stattfindet, sich die überlieferten institutionellen Grenzen verschieben, ist kulturpolitisch gewollt.
Zum künstlerischen Teil gehörten z.B. der kybernetische Gitarrenspieler “Aglaopheme” von Nikolaus Baginsky, die Performance von Barry Schwartz (“Arcus Interruptus: Power feed cha-cha, hillbilly generator stomp”) oder die mixed-mediale Installation “AL Robotavatar” von NurSchrec & Martin Reiter. Mit diesen und den anderen Beiträgen wollten die Veranstalter deutlich machen, daß “Robotic Art” über die sensuell rezipierbare Ästhetisierung nüchterner Steuerungselektronik weit hinausgeht. Die meisten Vertreter dieser Kunst artikulieren nämlich in ihrer Arbeit tiefergehende existentielle Fragen nach den “Schnittstellen und Brüchen zwischen Mensch und Maschine”. Daß vieles gleichzeitig spielerisch wirkt, steht dazu nicht in Widerspruch. Den Künstlern wie den Kulturtheoretikern mit ihren Vorträgen auf dem Symposion fiel also die Aufgabe zu, tiefer und anschaulicher “in die mythischen Bereiche der Maschinenwelt” einzudringen, als dies etwa der Referent über “Robotertechnologie aus der Sicht des Wirtschaftsministeriums” gekonnt und gewollt hätte.
Der Tanz-Roboter “KyberMax” des österreichischen Künstler-Duos “Fam. Brandt” und der Webcam-Roboter ihrer Kollegen von der Gruppe “monochrom” sind über eine Internet-Anbindung zu steuern. Wolfgang Hilbert hatte eine virtuelle Marionette konstruiert, die am Bildschirm durch Ziehen an Schnüren bewegt werden konnte: Interaktive Installationen, die den Willen nach Beherrschbarkeit anthropomorpher Maschinen durch den realen Menschen thematisieren. Sie drücken die “magische Anziehungskraft und Sehnsucht” aus, die sich mit der “Vorstellung vom künstlichen Menschen” verbindet. Der “Mythos Roboter” ist real geworden, so lautete die Botschaft. Der amerikanische Forscher und Künstler Barry Werger/Ullanta Performance Robotics kündigte z.B. sein Projekt “Manners” als “Theaterstück für selbständig agierende Roboter” an.
Es scheint, als ob jene Mythologisierung, die in früheren Kulturen die Naturgewalten erfuhren, auch der heutigen komplexen elektronischen Steuerungselektronik zuteil wird, wobei der Künstler sich dann häufig auf die Gesten des Bannens und Beschwörens besinnt, in denen einer der Ursprünge der Kunst überhaupt liegt: Auf diesen Hintergrund bezog sich z.B. der amerikanische Künstler Chico MacMurtrie/Amorphic Robot Works, indem er seine Performance “Telescoping Totem-Pole” nannte (mit der Betonung auf “Totem”). MacMurtries spektakuläre Inszenierungen von Roboterballetten und -orchestern mit verblüffender anatomischer Funktion drücken aber auch eine gewisse Skepsis aus – denn je perfekter diese Maschinenroboter wirken, desto deutlicher markieren sie nämlich gleichzeitig “das Verschwinden des menschlichen Elementes in einer technologisierten Umwelt”.
Die technoide Körperlichkeit solcher Apparaturen beschreibt der australische Künstler Stelarc mit dem Begriff “Involuntary Body” (unfreiwilliger, unwillkürlicher Körper). Analog dazu ist die “Sports Bar” der Künstlergruppe “Time’s Up” einzuordnen: an den “Situationsapparaten” kann körperliche Fitneß ohne Schweißabsonderungen getestet und trainiert werden. Mit ihrer Interaktivität ist “Robotic Art” eine Kunstrichtung, der es um konkrete Handhabbarkeit geht und nicht um bloße Darstellung von Möglichkeiten. Im Schaffensprozeß selbst sind – im Unterschied zur klassischen Bildhauerei etwa – Kreation und Konstruktion nicht mehr voneinander zu trennen.