Time's Up und Netzwerke
Wer in See sticht, braucht freundlich gesonnene, offene Zielhäfen und Inseln auf dem Weg dorthin, braucht auf besonderen Missionen SpezialistInnen von außen für die eigene Crew, braucht befreundete Schiffe, mit denen es sich gegebenenfalls im Flottenverband segeln lässt, und braucht manchmal auch an fernen Küsten eine Werft, um Lecks nach kleinen Havarien zu flicken.
All das bietet das Jahr für Jahr Knoten um Knoten geknüpfte Netzwerk von Time's Up. Es ermöglicht die internationalen Auftritte der Linzer KunstseefahrerInnen; hilft, ausreichend frische Ideen für unterwegs zu bunkern und verhindert sowohl, dass die KV Time's Up Rost, Algen und Muscheln ansetzt als auch den geistigen Skorbut ihrer Besatzung.
--
Viele der Knoten und Verbindungen haben sich schlicht und einfach ergeben, indem sich Lebensstränge gekreuzt haben. Andere sind gefädelt worden, weil eine spezifische Wissbegier im Spiel war. Die – Seeleute! – ausgesprochen ausgeprägte Promiskuität der Interessen von Time's Up hat allein in jüngster Vergangenheit zu intensivem Verkehr mit OzeanologInnen, SchauspielerInnen, SozialarbeiterInnen, echten Seeleuten, MigrationsaktivistInnen, MalerInnen, LobbyistInnen, ErfinderInnen, FernfahrerInnen und, man staune, anderen KünstlerInnen geführt.
Beziehungsstiftend wirken nicht bloß die Recherchen für neue Projekte und deren Verwirklichung; auch Symposien sowie Diskussions- und Workshopreihen begünstigen die Vergrößerung der Visitenkartensammlung im Büro von Time's Up.
--
Einander ergänzende Talente und Fähigkeiten, gemeinsam durchwanderte Interessensgebiete, Neugier auf dieselben Themen und nicht zuletzt Freundschaften, halten das Netzwerk zusammen. Solange ein Netzwerk lebt, solange gibt es darin ein Kommen und Gehen. Wobei: Auch wenn sich immer wieder Verbindungsknoten lockern – häufig, um sich später unerwartet doch wieder zu straffen – oder lösen, kommen mehr Kreuzungspunkte dazu als wegfallen.
Der Rückblick auf die Jahre zeigt: Stagniert das Netzwerk, stagniert auch die künstlerische Arbeit. Wie sehr man dann selbst aber inhaltlich und formal doch wieder vom Fleck gekommen ist, erfährt Time's Up umgekehrt am deutlichsten in den Begegnungen innerhalb des Netzwerks.
--
Denkt man sich Time's Up im Zentrum seines Netzwerks, gibt es unterschiedliche Naheverhältnisse, die wie die Kreise im kunstvollen Gewebe einer Spinne vorstellbar sind. Zum Netzwerk gehören Menschen als Einzelne, gehören ganze Gruppen und Initiativen, gehören Institutionen. Mit manchen sind Kontakt und Kollaboration so häufig, dass sie dem Zentrum ganz nahe stehen, mit vielen anderen ist der Austausch sporadischer und die Distanz entsprechend größer.
Die Gemeinsamkeiten können in inhaltlichen Überschneidungen, gar in Ko-Kreationen bestehen; für Kooperationen kann es technische Gründe oder die Kulturförderungslogik der Europäischen Union geben. Manchmal überschreiten die Beziehungen auch die weiche Grenze zwischen der Arbeit und dem Persönlichen, und fallweise entsteht die Nähe auch durch ein geteiltes Weltverständnis. Geografische Entfernungen spielen mit hinein, nicht immer aber entscheidend.
--
Zum Teil ist auch die Arbeit im Netzwerk eine Art von Routinetätigkeit. Der schreckensbesetzte Monumentalaufwand einer Einreichung bei der Europäischen Union ist mittlerweile dank der mit anderen geteilten Arbeit viel einfacher bewältigbar als zu Beginn; man weiß genau um die Begabungen, Ressourcen und Kapazitäten anderer. Nicht alles ist eitel Wonne: In den Wogen der Finanzkrisen sind etliche befreundete Initiativen untergegangen, und mit dem kometenhaften Aufstieg der *creative industries* sind unschöne Umwertungen einhergegangen: Das Experiment wird wieder scheel beäugt, der Prozess hat keinen großen Stellenwert mehr, Kreativität wird mit Kunst verwechselt, und in punkto Resultat geht nichts über ein Produkt – der Neoliberalismus ist in der Kunst angekommen.
Im Gegenzug haben, wenigstens innerhalb des Netzwerks, Themen an Boden gewonnen, die wirklich welche sind: Klimaerwärmung, sozialer Wandel, Migration, angewandte Resilienz. Da geht nach wie vor nichts über das Gefühl, mit gehissten Segeln Kurs aufs offene Meer hinaus zu nehmen…
Time's Up and networks
Those who set sail need friendly and open ports of arrival and islands on the way there; they need their own crew of specialists from the outside for special missions; they need friendly ships, who are willing to form a fleet; and they will also sometimes need a shipyard for repairing smaller leaks.
All this is offered by the network that has been created over the years, knot by knot. It enables the international appearances of the artists at sea navigating from Linz and helps to create sufficient fresh ideas for bunkering underway and prevents that the HMS Time’s Up rusts or is beset by algae and mussels as well as the mental scurvy of its crew.
--
Many of the knots and the connections have quite simply developed by crossing paths of different members. Others were tied by a certain thirst for knowledge. The - sea people! - incredibly distinct promiscuity of interests by Time’s Up has in recent history lead to a more intense involvement of actors, social workers, real sea people, migration activists, painters, lobbyists, inventors, long distance truck drivers and even other artists.
Not only the research for new projects is relevant here but symposiums as well as discussions and workshops simplify the enlargement or the growth of the business cards in the office of Time’s Up.
--
Talents and abilities that complement each other and collectively travelled areas of interest, curiosity for the same topics and last but not least the friendships keep this network together. As long as a network is alive, there is always a coming and going. Although: Even if the knots loosen - often only to tighten unexpectedly - or untie completely, more points of connection are the result.
In retrospect of all the years whenever a network stagnates the artistic work also stagnates. As much as you have then moved substantially as well as formally is shown by Time’s Up conversely within the encounters of the network itself.
--
If you think of Time’s Up as the centre of its own network there are different relations of proximity that can be imagined as the circles of a spider's web. The Network is made up of people as individuals, whole groups and institutions. With some contact and collaboration is so frequent that they are very close to the centre; with others however the exchange is sporadic and the distance is therefore larger.
The similarities can be based on an overlapping and result in co-creations; for cooperations there can be technical reasons or the logistics of cultural funding of the European Union. Sometimes the relationships also exceed the soft limit between work and personal time, and in certain cases the proximity results as a shared understanding of the world. Geographic distances play a, not always deciding, part.
--
Sometimes the work in the network is also a form of routine. The fear of the monumental amount of work when submitting applications for funding with the European Union has decreased over the years, thanks to the shared work with others; one realizes the talents, resources and capacities of others. Not everything is as pleasant as it looks: In the waves caused by the financial crisis many friendly initiatives were sunk, and with the comet-like ascent of the *creative industries* a lot of reassessments took place: The experiment is once again eyed critically, the process does not have a large status any more, creativity is confused with art, and the result has to be considered a product - Neoliberalism has arrived in the arts.
On the contrary within the network at least many topics have gained ground, which really are relevant: global warming, social change, migration, applied resilience. This is where the great feeling of setting one’s sails out to sea remains.