Place:
Linz, AT
Site:
Time's Up Laboratories
Date:
About those who have chosen the sea to be free
panel discussion will be held in German
Das Meer steht einerseits als Inbegriff für Freiheit und Neubeginn, für die Verheißung der Erfüllung von Sehnsüchten und Utopien; andererseits aber gleichzeitig für Tod, schmerzvolle Erfahrung körperlicher Grenzen und bittere Enttäuschung. Die vielen abenteuerlichen Mythen und Geschichten der letzten Jahrhunderte wurden abgelöst von tagesaktuellen Nachrichten über ertrunkene Menschen, gekenterte Boote, zurückgewiesene Flüchtlinge – das Meer wurde zunehmend auch zu einem Begriff, der für die Teilung der Welt steht, ein Sinnbild für politische Ungerechtigkeit und Maßlosigkeit. Die Programmreihe "Law and Lore of the Sea" beleuchtet diese Zuschreibungen, die "das Meer" umgeben aus kulturwissenschaftlicher und -historischer Sicht sowie aus Sicht von Seerechtsexperten und Ethnologie.
Den ersten Teil gestalten:
Univ.Ass. Sarah Sander
M.A. Kulturwissenschaftlerin, Kunstuniversität Linz, Linz/Berlin
Zur Freiheit des Meeres - Über Piraterie und die neuzeitlichen Grenzen der Neuen Welt
Ausgehend von dem neuzeitlichen Diskurs um die "Freiheit des Meeres" (Hugo Grotius 1609) und den kriegerisch-kolonialen Praktiken der Erschließung und Durchkreuzung der `Neuen Welt´ skizziert Sander eine Frühgeschichte der Globalisierung. Wie wechselhaft und gewaltvoll diese war, aber auch wie voll von Fremdzuschreibungen und Klischees, das erzählt sie anhand der `Piraterie´ als (Diskurs)Figur der Frühen Neuzeit. In Sanders beitrag geht es also um Piraten, die als "animus furandi" und "Feinde des Menschengeschlechts" das absolute Außen der sich neu formierenden Neuen Welt markieren, und die in ihrer Ausgrenzung nicht nur das moderne Völkerrecht motivieren, sondern auch die Vorstellung von der Gefährlichkeit des Meeres figurieren. Denn wo Waren und Güter durch den ungekerbten, schwer regierbaren Raum bewegt wurden, war der Pirat als Parasit dieser Transaktion nie weit. Und wie die Erschließung der Weltozeane und die Kolonialisierung der Neuen Welt den Handel globalisierten, dehnte sich auch der Seeraub über die Grenzen des alten Europas auf alle Weltmeere aus, die so zum transnationalen Konflikt- und Kommunikationsraum geworden waren.
Alfred Weidinger
Kunsthistoriker, Fotograf, Vizerektor des Museums Österreichische Galerie Belvedere / Wien
Der Begriff der Flucht in der zeitgenössischen Kunst
Der kubanische Künstler Kcho (*1970) ist einerseits für seine bedingungslose Bewunderung Fidel Castros bekannt (im Juli 2012 bezeichnete er es während einer Aussprache zum Thema des neuen Steuersystems im kubanischen Parlament als Pflicht der kubanischen Künstler, „gratis und freiwillig für das Volk zu arbeiten, ohne daraus irgendeine Vergütung aus öffentlichen Mitteln zu erhalten".) Andererseits kreist sein Werk um Transportmittel, auf denen der kurze Meerweg zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten bzw. von den Vereinigten Staaten nach Kuba überwunden werden kann: Mit einem Turm aus halb verrotteten Booten (Para olvidar el miedo) etwa gewann der Künstler 1995 den Preis der Biennale von Kwangju, und La Regata (1994), eine aus allerlei bootsähnlichen Elementen ausgelegte Bootsform, war schon in den verschiedensten Museen dieser Welt zu sehen. Auch in seinen neuesten Arbeiten verlässt er das Thema nicht, so richtete er etwa an einer Biennale von Havanna im Convento San Francisco einen wackeligen Bootssteg auf und umgab ihn mit einem Meer aus leeren Transfusions- und Schnapsflaschen. Natürlich erinnern solch gefährliche Stege, Stapel oder Auslegeordnungen aus oft arg improvisiert wirkenden Wassergefährten an all die Berichte über Kubaner, die beim Versuch, heimlich die Küste der Vereinigten Staaten von Amerika zu erreichen, den Tod in den Meeresfluten fanden. Eine seiner außergewöhnlichsten Installationen war die 2005 auf etwa 400 Quadratmetern Fläche in der Kunsthalle Attersee ausgerichtete Schau Casa 5 – Las Playas Infinitas. Alfred Weidinger brachte Kcho damals nach Österreich, er reflektiert über Kcho und andere zeitgenössische Künstler, denen Flucht Thema geworden ist.
Leo Schatzl
Künstler und Lehrbeauftragter, Wien/Linz
Floating Village
Das vor 3 Jahren initiierte Programm Floating Village benennt eine Serie von künstlerischen Auseinandersetzungen mit Wasserflächen und öffentlichem Raum und versteht sich als Metapher für ergebnisoffene, kollektive Prozesse und flexible, autonome Sphären. FLOAV ist ein temporärer Verbund von Booten und anderen Schwimmkörper als Modell einer Floating Village aus einzelnen, autonomen Sphären, als Erfahrungsraum sowie als soziale, schwimmende Skulptur.
Leo Schatzl: "Es geht - auch im übertragenen Sinn - um die experimentelle Befassung mit den Bedingungen und Möglichkeiten eines fluiden Environments und daraus resultierenden Erfahrungen, Ideen, Strategien und Techniken. Schon vor einigen Jahren entstanden hierzu thematisch assoziierte Kooperationen mit Künstler_innengruppen sowie eigene Projektreihen, die sich sowohl mit Untersuchungen bestehender wie auch mit der Entwicklung eigener, schwimmender Objekte und (autonomer) Systeme beschäftigen.
Im Rahmen meiner Lehrtätigkeit an der Linzer Kunstuniversität (UfG) wurde hierzu vor 3 Jahren auch das Arbeitsprogramm "Floating Village" ins Leben gerufen, bei dem in Workshops und konkreten Projektarbeiten alternative künstlerische Handlungsräume spielerisch erprobt sowie kreative Eingriffe in öffentliche Raumsysteme realisiert werden."
Das Meer steht einerseits als Inbegriff für Freiheit und Neubeginn, für die Verheißung der Erfüllung von Sehnsüchten und Utopien; andererseits aber gleichzeitig für Tod, schmerzvolle Erfahrung körperlicher Grenzen und bittere Enttäuschung. Die vielen abenteuerlichen Mythen und Geschichten der letzten Jahrhunderte wurden abgelöst von tagesaktuellen Nachrichten über ertrunkene Menschen, gekenterte Boote, zurückgewiesene Flüchtlinge – das Meer wurde zunehmend auch zu einem Begriff, der für die Teilung der Welt steht, ein Sinnbild für politische Ungerechtigkeit und Maßlosigkeit. Die Programmreihe "Law and Lore of the Sea" beleuchtet diese Zuschreibungen, die "das Meer" umgeben aus kulturwissenschaftlicher und -historischer Sicht sowie aus Sicht von Seerechtsexperten und Ethnologie.
Den ersten Teil gestalten:
Univ.Ass. Sarah Sander
M.A. Kulturwissenschaftlerin, Kunstuniversität Linz, Linz/Berlin
Zur Freiheit des Meeres - Über Piraterie und die neuzeitlichen Grenzen der Neuen Welt
Ausgehend von dem neuzeitlichen Diskurs um die "Freiheit des Meeres" (Hugo Grotius 1609) und den kriegerisch-kolonialen Praktiken der Erschließung und Durchkreuzung der `Neuen Welt´ skizziert Sander eine Frühgeschichte der Globalisierung. Wie wechselhaft und gewaltvoll diese war, aber auch wie voll von Fremdzuschreibungen und Klischees, das erzählt sie anhand der `Piraterie´ als (Diskurs)Figur der Frühen Neuzeit. In Sanders beitrag geht es also um Piraten, die als "animus furandi" und "Feinde des Menschengeschlechts" das absolute Außen der sich neu formierenden Neuen Welt markieren, und die in ihrer Ausgrenzung nicht nur das moderne Völkerrecht motivieren, sondern auch die Vorstellung von der Gefährlichkeit des Meeres figurieren. Denn wo Waren und Güter durch den ungekerbten, schwer regierbaren Raum bewegt wurden, war der Pirat als Parasit dieser Transaktion nie weit. Und wie die Erschließung der Weltozeane und die Kolonialisierung der Neuen Welt den Handel globalisierten, dehnte sich auch der Seeraub über die Grenzen des alten Europas auf alle Weltmeere aus, die so zum transnationalen Konflikt- und Kommunikationsraum geworden waren.
Alfred Weidinger
Kunsthistoriker, Fotograf, Vizerektor des Museums Österreichische Galerie Belvedere / Wien
Der Begriff der Flucht in der zeitgenössischen Kunst
Der kubanische Künstler Kcho (*1970) ist einerseits für seine bedingungslose Bewunderung Fidel Castros bekannt (im Juli 2012 bezeichnete er es während einer Aussprache zum Thema des neuen Steuersystems im kubanischen Parlament als Pflicht der kubanischen Künstler, „gratis und freiwillig für das Volk zu arbeiten, ohne daraus irgendeine Vergütung aus öffentlichen Mitteln zu erhalten".) Andererseits kreist sein Werk um Transportmittel, auf denen der kurze Meerweg zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten bzw. von den Vereinigten Staaten nach Kuba überwunden werden kann: Mit einem Turm aus halb verrotteten Booten (Para olvidar el miedo) etwa gewann der Künstler 1995 den Preis der Biennale von Kwangju, und La Regata (1994), eine aus allerlei bootsähnlichen Elementen ausgelegte Bootsform, war schon in den verschiedensten Museen dieser Welt zu sehen. Auch in seinen neuesten Arbeiten verlässt er das Thema nicht, so richtete er etwa an einer Biennale von Havanna im Convento San Francisco einen wackeligen Bootssteg auf und umgab ihn mit einem Meer aus leeren Transfusions- und Schnapsflaschen. Natürlich erinnern solch gefährliche Stege, Stapel oder Auslegeordnungen aus oft arg improvisiert wirkenden Wassergefährten an all die Berichte über Kubaner, die beim Versuch, heimlich die Küste der Vereinigten Staaten von Amerika zu erreichen, den Tod in den Meeresfluten fanden. Eine seiner außergewöhnlichsten Installationen war die 2005 auf etwa 400 Quadratmetern Fläche in der Kunsthalle Attersee ausgerichtete Schau Casa 5 – Las Playas Infinitas. Alfred Weidinger brachte Kcho damals nach Österreich, er reflektiert über Kcho und andere zeitgenössische Künstler, denen Flucht Thema geworden ist.
Leo Schatzl
Künstler und Lehrbeauftragter, Wien/Linz
Floating Village
Das vor 3 Jahren initiierte Programm Floating Village benennt eine Serie von künstlerischen Auseinandersetzungen mit Wasserflächen und öffentlichem Raum und versteht sich als Metapher für ergebnisoffene, kollektive Prozesse und flexible, autonome Sphären. FLOAV ist ein temporärer Verbund von Booten und anderen Schwimmkörper als Modell einer Floating Village aus einzelnen, autonomen Sphären, als Erfahrungsraum sowie als soziale, schwimmende Skulptur.
Leo Schatzl: "Es geht - auch im übertragenen Sinn - um die experimentelle Befassung mit den Bedingungen und Möglichkeiten eines fluiden Environments und daraus resultierenden Erfahrungen, Ideen, Strategien und Techniken. Schon vor einigen Jahren entstanden hierzu thematisch assoziierte Kooperationen mit Künstler_innengruppen sowie eigene Projektreihen, die sich sowohl mit Untersuchungen bestehender wie auch mit der Entwicklung eigener, schwimmender Objekte und (autonomer) Systeme beschäftigen.
Im Rahmen meiner Lehrtätigkeit an der Linzer Kunstuniversität (UfG) wurde hierzu vor 3 Jahren auch das Arbeitsprogramm "Floating Village" ins Leben gerufen, bei dem in Workshops und konkreten Projektarbeiten alternative künstlerische Handlungsräume spielerisch erprobt sowie kreative Eingriffe in öffentliche Raumsysteme realisiert werden."
Appearances:
Partners:
Supported by: